Wenn Kontrolle nicht mehr trägt - Spiritualität in der Führung
- Gordon Lagojannis

- 22. Okt.
- 2 Min. Lesezeit

Ein Manager kam zu mir mit einem klaren Anliegen: Sein Team sei frustriert, die Stimmung angespannt. „Ich habe alles versucht – klare Ziele, mehr Meetings, neue Strukturen. Aber es wird nicht besser.“ Neue Ideen und Ansätze mussten her.
Das klingt nach einer klassischen Führungssituation. Doch je länger wir sprachen, desto deutlicher wurde: Er versuchte, etwas zu kontrollieren, das sich nicht kontrollieren ließ – die innere Haltung seiner Mitarbeitenden.
In solchen Momenten suchen viele nach der nächsten Maßnahme, nach einem Hebel, der „es wieder in den Griff bekommt“. Doch komplexe Systeme – und dazu gehören Teams – folgen keiner einfachen Logik. Sie reagieren auf Beziehung, auf Resonanz, auf Sinn.
Spiritualität, verstanden als bewusste Verbundenheit mit sich selbst und dem größeren Ganzen, bietet hier einen anderen Zugang. Sie fragt nicht: Wie kann ich das Problem lösen? Sondern: Wie kann ich in dieser Situation in Verbindung bleiben – mit mir, mit den anderen, mit dem, was gerade ist?
Im Coaching begann der Manager, das Unkontrollierbare nicht länger als Gegner zu sehen, sondern als Teil der Realität, mit der er in Beziehung treten kann. Aus dieser Haltung heraus setzte er konkrete Schritte: Er reduzierte die Zahl der Meetings und führte kurze, offene Check-ins ein, in denen jeder sagen konnte, wie es ihm gerade geht – ohne Bewertung. Er begann, regelmäßig still zuzuhören, bevor er Entscheidungen traf. Wenn Konflikte auftauchten, fragte er nicht mehr sofort nach Ursachen, sondern nach dem Erleben der Beteiligten: Was bewegt dich gerade? Und er lernte, Druck nicht weiterzugeben, sondern bewusst zu halten – ohne sich selbst davon überwältigen zu lassen. Das Bewusstsein über die eigene Endlichkeit war ein wichtiger Schritt im Coaching-Prozess.
Mit der Zeit bemerkte er, dass sich nicht nur sein Team veränderte, sondern auch er selbst. Er begann, Momente der Stille bewusst zu suchen – im Büro, auf dem Heimweg, manchmal mitten im Gespräch. Er spürte, wie sich sein Blick auf Führung verschob: weg vom Machen, hin zum Wahrnehmen. „Ich hätte nie gedacht, dass das etwas mit Spiritualität zu tun hat“, sagte er am Ende. „Aber genau das ist es wohl – dieses Gefühl, verbunden zu sein, auch wenn ich nicht die nächste Aktion ausführe.“
Nach einigen Wochen veränderte sich die Atmosphäre im Team. Die Gespräche wurden ehrlicher, Entscheidungen klarer, das Miteinander lebendiger. Nicht, weil er mehr Kontrolle ausübte – sondern weil er losließ.
Führung heißt nicht, alles im Griff zu haben. Führung heißt, Bewusstheit in komplexe Systeme zu bringen – und Vertrauen, dass sich Sinn und Lösung in der Beziehung entfalten können.
Annahme ist keine Schwäche. Sie ist eine Form von Stärke, die aus innerer Klarheit entsteht. Das ist symergenz in Führung.



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